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100 Jahre Raiffeisenbank Oberwil

Raiffeisen - ein erfolgreicher Weg

Nachträgliche Niederschrift der Ansprache in Baselbieter Mundart anläßlich der 100-Jahre-Feier in der Wehrlin-Halle am 3. Juni 2005





Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Peter Ley

Zunächst danke ich Dir, daß Du Deinen Veston abgelegt hast, denn das erlaubt es mir, nur im Hemd vor Sie zu treten. Unser Verbandspräsident, Peter Thüring, hat mich schon gefragt, wann die Gemeinde die Klimaanlage in die Wehrlin-Halle einbauen wird. Ich habe ihm geantwortet, der Gemeinderat würde den Auftrag schon am Montag erteilen, wenn die Raiffeisenbank die Anlage sponsort.

Nun aber zu Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Anwesende:

Ja, die vorletzte Jahrhundertwende muß eine spannende Zeit, eine aufgeschlossene Zeit, eine Pionierzeit, eine Gründerzeit gewesen sein. In dem damals kleinen Dorf von 1'500 Einwohnern muß eine Aufbruchstimmung geherrscht haben. Denn seit ich Gemeindepräsident bin, darf ich bereits an der achten 100-Jahre-Feier teilnehmen.

1992 war es der Turnverein. Im Jahre 1994 folgten gleich drei weitere: der Männerchor, die Gärtnerei Salathé und die Mechanische Ziegelei Oberwil. Und im Jahre 2000 waren es wiederum drei 100-Jahre-Jubiläen: der Frauenverein – heute Spitex, der Musikverein und dann auch die Pestalozzigesellschaft. Und 1905 gründete man in Oberwil die Vorläuferin der heutigen Raiffeisenbank, eben den Darlehenskassen-Verein Oberwil.

Die Raiffeisen-Idee und Oberwil

Was war das eigentlich für eine Idee?
Wer war das eigentlich, Friedrich Wilhelm Raiffeisen?

In einer Gemeinde in der Pfalz, im Westerland, im "Land der armen Leute", wie sich die Gegend in einer zeitgenössischen Heimatkunde selbst bezeichnete, gründete der 29-jährige Bürgermeister Friedrich Wilhelm Raiffeisen nach dem Hungerwinter 1846/47 einen "Brodverein" – ja, mit einem d geschrieben. Das war die Grundlage zu seinem jahrzehntelangen genossenschaftlichen Wirken. Später kam die Gründung des "Flammenfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirte" hinzu. Und 1862 gründete er den "Heddesdorfer Kassenverein".

Von diesem Pragmatiker und Praktiker Friedrich Wilhelm Raiffeisen, 1818 geboren, ist auf jeden Fall bedeutend mehr geblieben als von seinem Jahrgänger Karl Marx. Aber Raiffeisen war nicht nur Praktiker. Sein Wissen, seine Erfahrung publizierte er 1866 in einem Buch mit dem bemerkenswerten Titel: "Die Darlehenskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Not ländlicher Bevölkerung so wie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter".

Die Idee, auf den Prinzipien von Selbsthilfe, Selbstverwaltung und damit vor allem auch der Selbstverantwortung Kreditgenossenschaften aufzubauen, fand in der Schweiz rasch Boden. Das lag auch auf der Hand. Nicht wegen der Eidgenossenschaft. Auch im 19. Jahrhundert waren sie meistens nur an Eidg. Turn- oder an Eidg. Schützenfesten Eidgenossen – und für den Rest vor allem Berner, Zürcher, Appenzeller, Vaudois, Luzerner oder Ticinesi. Nein: dieses Land war durch jahrhundertelange genossenschaftliche Traditionen geprägt, stark geprägt – und ist es immer noch: Alpkorporationen, Wassergenossenschaften, Milch- und Käserei-Genossenschaften und dann vom 19. Jahrhundert an auch Konsumgenossenschaften.

Und da schließt sich der Bogen zu Oberwil. Oberwil zählt dank der Person von Stephan Gschwind mit seinen zahlreichen Aktivitäten im genossenschaftlichen Bereich – und ganz vornehmlich mit seiner Birscheck'schen Produktions- und Consum-Genossenschaft – zu den Genossenschaftspionieren.

Ob der Gründer der Pestalozzi-Gesellschaft, die ja die Landsicherung für kleinbäuerlichen Bodenbesitz im Visier hatte, im Vorfeld zur Gründung des Darlehenkassen-Vereins mitgewirkt hatte, muß ich offenlassen; denn Stephan Gschwind verstarb bereits 1904 im Alter von nur 50 Jahren. Aber eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen, daß Gschwind an einem solch bedeutenden Genossenschaftswerk nicht mitgewirkt haben sollte.

Raiffeisen heute in der Schweiz

Und heute?

Der Verbund der Raiffeisenbanken ist eine der größten Banken in der Schweiz – man weiß es nur nicht. Mit rund 1'200 Standorten werden im dichtesten Bankennetz des Landes etwa zweieinhalb Millionen Kunden bedient. Und immer gilt: Man kann als Genossenschafterin, als Genossenschafter – als Mitglied am Geschehen der Bank unmittelbar Anteil haben. Gerade so, wie es die heutige Generalversammlung mächtig beweißt.

Die Raiffeisenbanken sind seit Jahren unablässig erfolgreich. Und da fragt man sich schon: Warum? Vor Jahren hat eine große Mitbewerberin – ja, ich denke so sagt man heute – es war im übrigen nicht die, bei der ich einmal arbeitete, und auch nicht jene, die dann daraus geworden ist! Also die dritte große Mitbewerberin hatte einmal eine starke Werbekampagne lanciert: "All business is local." – Ich würde es auf Baselbieter Deutsch so ausdrücken "Gschäftet wird immer vor Ort".

Im Gegensatz zu den Grossen haben die Raiffeisenbanken nie übersehen, daß das eine der grundlegenden Geschäftswahrheiten ist: "All business is local."

Und die unveränderte Struktur als Genossenschaft schafft eine starke Bindung zwischen Bank und Kunde, der eben auch Mitglied ist. Und das ist eine völlig andere Bindung als die zum Kunden, der auch Aktionär ist. Denn die Aktien verkaufe ich, sobald für mich der Kurs an der Börse stimmt.

Glückwunsch

Ich freute mich auf den Jubiläumsanlaß, und ich freue mich auf den heutigen Abend, zu dem ich uns allen viel Vergnügen wünsche. Doch vorher gratuliere ich der Raiffeisenbank – ganz besonders auch im Namen der Gemeinde – zu ihrem 100-jährigen Jubiläum herzlich.

Und ich bin sicher: Die
Raiffeisenbank Oberwil – Bottmingen – Biel-Benken – Binningen
steht vor einer blendenden Zukunft, wenn sie sich den Ratschlag eines der größten deutschen Banquiers, den Ratschlag vom langjährigen Chef der Deutschen Bank, als diese noch etwas war, zu Herzen nimmt; nämlich den Ratschlag von Hermann Josef Abs: "Eine Bank lebt von den schlechten Geschäften, die sie unterläßt."

Danke.



Rudolf Mohler, Gemeindepräsident
04.06.2005