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Die Wiedergründung


Der Anfang


Nach den Jahren der Krise und des Zweiten Weltkrieges lag die französische und wohl weitherum auch die übrige europäische Gastronomie am Boden. Es waren Jahre der Rationierung und in gewissen Ländern sogar des Hungers. Als zu Beginn des Jahres 1950 in Frankreich die Rationierung aufgehoben wurde, lud Jean Valby seine Freunde Curnonsky und Auguste Bécart zu einem schönen, rosa gebratenen Gigot ein. Damals entstand die Idee, man müsse der französischen Küche mit einem Anstoß zu einem neuen Aufstieg verhelfen.

Curnonsky analysierte: "Il y a presque une génération qui ne sait pas ce qu'est un rôti, ni même qu'il existe une cuisine. Il faudrait remettre en valeur la cuisine française. Pour cela, il faut créer une association qui aurait comme noble mission de faire connaître et remettre en valeur l'art culinaire français."

Auguste Bécart fügte an: "Il faut restaurer la cuisine grâce à des mets simple et digestes comme les rôtis et les grillades. Les estomacs fatigués et les vésicules biliaires déficientes ont besoin de se réacclimater."

Rasch war man sich einig, eine Vereinigung zu gründen, in der Amateure und Professionelle aus den Bratküchen sich zusammenfinden. Die Idee war geboren, man war sich auch rasch einig, auf der Idee der früheren corporation des Rôtisseurs eine solche Vereinigung aufzubauen. Jeder übernahm gewisse Aufgaben, um an Ostern 1950 die Confrérie de la Chaîne des Rôtisseurs zu gründen.

Gründer waren Jean Valby, Curnonsky, Dr. Auguste Bécart, Louis Giraudon und Marcel Dorin.

Im August 1950 wurden die Statuten bei der Préfecture de la Police in Paris hinterlegt und die Gründung im Journal Officiel de la République française publiziert. Im September 1950 fand das erste Dîner amical in Paris statt. Am 25. Januar 1951 wurden die ersten 120 Mitglieder im ersten Chapitre in ihre Funktionen und Ränge inthronisiert. Und ganz schnell sprang der Funke über den Lac Léman: Bereits am 26. Mai 1951 wurde in Lausanne mit den drei Bailliagen Genève, Vaud und Valais die Bailliage national de Suisse gegründet. Die erste Chaîne des Rôtisseurs außerhalb Frankreichs.

... und heute?


Wenn man die Aussagen von Curnonsky und Bécart liest, so fragt man sich durchaus zu recht: Warum gibt es denn diese Vereinigung noch? Sind denn in Europa alle diese Mangelerscheinungen noch vorhanden? Können wir uns im Supermarkt, in den Spezialgeschäften oder auf dem Wochenmarkt nicht alle Köstlichkeiten beschaffen?

Das ist alles richtig, doch die Zeiten haben sich nicht nur in bezug auf das Angebot gewandelt. Sie haben sich auch in bezug auf die Lebensgewohnheiten und die Sitten stark gewandelt. Neben einer großartigen Entwicklung in der Spitzengastronomie steht eine sehr bedenkliche Entwicklung im Ernährungsverhalten, im Wissen um Gastronomisches und auch bezüglich dem Wert einer gepflegten Tafelkultur. Deshalb sieht die Chaîne des Rôtisseurs ihre Aufgabe heute weniger darin, die Kochkunst wieder zu beleben. Heute geht es vielmehr darum, die positiven Werte von Koch- und Genußkultur, das Wissen um Produkte und Wein, das Leben von Tafelkultur und die Pflege von Freundschaft zu erhalten und zu fördern.

Hin und wieder wird man mit der Frage konfrontiert, ob eine solche Vereinigung angesichts von Hunger und Unterernährung überhaupt nötig sei. Man könnte zurückfragen, ob angesichts von Gewalt und Kriegslärm das Konzerthaus und Mozart nötig seien. Man könnte zurückfragen, ob angesichts von bidonvilles und Elendshütten denn Architektur und bildende Kunst nötig seien. Die Antwort ist einfach: Wer überzeugt ist, daß man eine bessere Welt erreichen kann, der muß auf den Werten der menschlichen Kultur aufbauen. Und dazu gehört auch die Koch-, die Genuß- und nicht zuletzt die Tafelkultur.

Zu diesem Themkreis gehören zwei Zitate:

Ein Stück Schwarzbrot und ein Krug Wasser stillen den Hunger eines Menschen; aber unsere Kultur hat die Gastronomie erschaffen.
(Honoré de Balzac; 20.05.1799 bis 18.08.1850; franz. Schriftsteller)

Je vais, dans mon ardeur poétique et divine,
Mettre au rang des beaux-arts celui de la cuisine.
(Joseph de Berchoux; 03.11.1760 bis 17.12.1839; franz. Advokat, Richter, Schriftsteller und Gastrosoph)

Hier finden Sie weitere Gastro-Zitate.

Zudem ...


Echte Genießer sind keine Verschwender, sie schätzen die Güte, nicht die Menge.

Quellen:
u.a. "Gastronomie" von Jean Valby, 495 Seiten, 1989, Edition de la Revue Bonne Table et Tourisme, CH-2013 Colombier / Suisse


12.04.2010 – © Rudolf Mohler, CH-4104 Oberwil/Suisse